Zu Gast beim Neelkanth

Kurz unterhalb der Gangesquelle bei Gangotri im Himalaya wird es mitten in der Regenzeit unruhig. Hunderte von in Orange gekleidete Pilger, hauptsächlich junge Männer, was wohl der Tatsache zu verdanken ist, dass man hunderte von Kilometern zu Fuß zurücklegen muss, begeben sich an den Oberlauf des Flusses, der als Göttin Ganga höchste Verehrung genießt. Lord Shiva soll hier die gewaltigen Wassermassen, welche bei ihrem herunterstürzen die Erde zu vernichten drohten, in seinem gewaltigen Haarknoten aufgefangen haben. Somit entspringt die Ganga also im Haar des großen Gottes und wird nun gebändigt, aber immer noch mit großer Kraft, in die indische Ebene hinabfließen. Ihr Wasser wird von den Pilgern in kleinen heute meist Plastikflaschen eingefüllt um daheim dem großen Shiva die Kehle zu kühlen.

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Neue Gefäße für das heilige Wasser

Als das große Milchmeer von den Göttern und Dämonen gequirlt wurde, traten allerlei Schätze zu Tage, unter anderem Edelsteine, an denen Götter und Dämonen sich gleichsam erfreuten. Leider aber auch wurde auf der Suche nach Amrata, dem Ewigkeitsnektar, auch eine gewaltige Portion Gift freigegeben. Shiva erkannte die Gefahr, durch das Gift war die gesamte Menschheit vom Aussterben bedroht. In großer Geistesgegenwart fing er das Gift auf und beschloss, es immer zu bändigen, indem er es austrank und in seiner Kehle bewahrte. Kein Wunder, dass diese daraufhin blau anlief, deswegen also nennt man den großen Shiva auch Blaukehle, sprich Neelkanth.

Lord Shiva, seine wallenden Haare fangen die Ganga auf

Lord Shiva, seine wallenden Haare fangen die Ganga auf

Die Idee der Pilger nun ist es, vor dem großen Shivrati, dem Tag des Lord Shiva, Gangawasser zu holen, um seine geschundene Kehle zu kühlen. Anderre Versionen berichten zwar, der Gott würde dieses auch mit Hilfe von regelmäßigem Marihuanagenuss schaffen, aber das ist sicher Auslegungssache.

Da das Wasser in Krügen transportiert wird, welche an langen Stöcken befestigt sind, nennt man dieses Fest Kanwar Mela. Auf Hindu heißt der Bambusstab, der dazu benötigt wird, Kalwar, deswegen als die Namensgebung. Überall liegen die Gefäße zum Kauf aus, vor allem in Haridwar, wo die jungen Pilger in riesigen Scharen auftauchen.

Träger des heiligen Wassers

Träger des heiligen Wassers

Sind die Krüge gefüllt, trägt man sie auf wunderbar bunten Gerüsten zum wartenden Trecker, Auto oder Lastwagen, enthüllt nach einer Zeremonie die mitgebrachten Figuren der Heiligen Familie und macht sich auf den Weg zurück ins Dorf. Am 01.08. ist dann das große Fest, der Kühlungsakt kann beginnen….diese wunderbaren Lastwagen mit ihren teils noch verhüllten Großfiguren sind eine hochinteressante Kulisse des ganzen Festes. Vor allem die wie Dämonen verhüllten Götter haben mich fasziniert, alles scheint, als ob die Götter darauf warten, an einem Passionsfestspiel teilnehmen zu wollen.

Die Heilige Familie, Shiva, Parvati, Ganesha und, verdeckt, Skanda

Die Heilige Familie, Shiva, Parvati, Ganesha und, verdeckt, Skanda

Wenn man schon an den Ufern des heiligsten der indischen Flüsse ist, nutzt man natürlich die Gelegenheit zum heiligen Bad, einer rituellen Reinigung. Man sieht dieses normalerweise in Varanasi oder zu den großen Kumb Melas, aber auch in Haridwar, eine der sieben heiligen Städte Indiens, hat man dazu täglich Gelegenheit. Während der Kanwar Mela aber ist die ganze Stadt in Orange getaucht, tausende von fröhlichen Männern trotzen der gewaltigen Strömung, Und wir beneiden sie zutiefst, denn die Schwüle und Hitze ist in der Regenzeit unerträglich.

Badende am Ganges in Haridwar

Badende am Ganges in Haridwar

Indien, nie werde ich Dich verstehen, deine großartigen Feste, deine unendlichen Geschichten, und nie kann ich sagen, ich kenne dich. Und somit werde ich nie aufhören, dich zu bereisen…jeder Tag im großen Bharat ist eine neue Offenbarung!

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